Der gesellschaftliche Wiederaufbau aus den Ruinen des Zweiten Weltkriegs orientiert sich auch an den demokratischen Traditionen, an die sich nach dem Nationalsozialismus wieder anknüpfen lässt. Als Ort der ersten deutschen Nationalversammlung im Jahr 1848 verkörpert die Paulskirche eine solche Tradition. Ihr Wiederaufbau ist nicht nur eine materielle Herausforderung – Baumaterialien sind ebenso knapp wie die finanziellen Mittel –, sondern hat auch eine große symbolische Bedeutung. Mit der Grundsteinlegung zum Wiederaufbau im Jahr 1947 entwickelt sich die Paulskirche zum diskursiven Ort einer umfangreichen politischen und kulturellen Selbstverständigung, in deren Zentrum das post-nationalsozialistische Deutschland steht. Die Verbrechen des Nationalsozialismus werden dabei in öffentlichen Reden verurteilt, ebenso häufig auch die Sorge artikuliert, dass die Aufteilung Deutschlands in verschiedene Besatzungszonen zu einem Verlust der nationalen Einheit führen werde. Die Reden des damaligen Oberbürgermeister Walter Kolbs und des Schriftstellers Fritz von Unruh im Mai 1948 sowie die Ansprache von Thomas Mann im Goethejahr 1949 vereinen diese beiden Elemente der beginnenden Erinnerungskultur in der Paulskirche.
Die Ruine der Paulskirche unmittelbar nach dem Krieg (Foto: Peter Nagel)
Weiterführende Reden
1947 / 1948: Wiederaufbau und Einweihung der Paulskirche
Walter Kolb: Kundgebung in der Paulskirche (18. Mai 1948)
1948: Hundertjahrfeier der Nationalversammlung von 1848
Fritz von Unruh: Rede an die Deutschen (18. Mai 1948)
1949: Goethe-Feier der Stadt Frankfurt am Main
Thomas Mann: Ansprache im Goethejahr (25. Juli 1949)